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Europa möchte Kooperation mit Lateinamerika und Karibik ausbauen

Im Juni hat die Europäische Union eine neue Agenda für die Beziehungen der EU mit Lateinamerika und Karibik veröffentlicht. BDI und LADW begrüßen diese Initiative. Die neue geopolitische Realität hat großen Einfluss auf internationale Wirtschaftsbeziehungen. Der Wunsch nach Diversifizierung der Märkte ist groß und Lateinamerika hat viel zu bieten. Diese Ansicht teilt auch die EU und schlägt in ihrer Zusammenarbeit folgende Schwerpunkte vor.

Politischen Dialog stärken

Die Europäische Kommission beabsichtigt, den Dialog mit der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) zu intensivieren und weiterzuentwickeln– bilateral mit einzelnen Ländern und multinational u. a. mit Mercosur, Pazifischer Allianz, Andengemeinschaft, zentralamerikanischen Wirtschaftsraum SICA.

Ein guter Auftakt dafür bildet das bevorstehende Gipfeltreffen EU-CELAC am 17. und 18. Juli 2023 in Brüssel. Nach acht Jahren kommen Staats- und Regierungschefs erstmals wieder zum Austausch zusammen. Eine einmalige Chance für die EU, Lateinamerika und Karibik ihr großes Interesse an der Stärkung politischer und wirtschaftlicher Partnerschaften zu zeigen. Der Dialog sollte genutzt werden, um Zukunftsthemen für die Zusammenarbeit zu definieren und darauf aufbauend Aktivitäten und Maßnahmen zu empfehlen. Auf die Agenda gehören vor allem erneuerbare Energie und grüner Wasserstoff, Dekarbonisierung und Klimaschutz, Digitalisierung sowie Kreislaufwirtschaft.

Gemeinsame Handelsagenda stärken

Die EU möchte den Handel mit der Region ausbauen durch den Abschluss und die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens, das Priorität hat, und die Modernisierung der bestehenden Abkommen mit Chile und Mexiko. In den ratifizierten Abkommen mit Zentralamerika sowie Kolumbien, Peru und Ecuador sollen die Nachhaltigkeitsbestimmungen stärker berücksichtigt werden.

Handelsabkommen spielen eine wichtige Rolle für eine starke Position der EU als Handels- und Investitionspartner und als glaubwürdige Alternative zu Wettbewerbern aus China und den USA in der Region. Die deutsche Wirtschaft wartet seit über 20 Jahren auf die Ratifizierung des EU-Mercosur Abkommens. Als Markt  mit seinen 260 Millionen Einwohnern ist Mercosur  äußerst attraktiv für Europa.  Durch das Abkommen könnten nahezu alle Zölle abgeschafft, öffentliche Beschaffungsmärkte geöffnet, Dienstleistungen erleichtert sowie regulatorische Kooperation vereinfacht werden. Auch bei Umweltschutz und Arbeitnehmerrechten setzt das Abkommen hohe Standards. In einem eigenen Nachhaltigkeitskapitel sind Regelungen zu Biodiversität, nachhaltiger Waldwirtschaft und zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags geregelt.

Vor dem Hintergrund blicken wir gespannt auf das 2. Halbjahr 2023, wenn Spanien den EU-Ratsvorsitz übernimmt und Brasilien den Vorsitz im Mercosur und hoffen, dass die Zeit genutzt wird, um den Abschluss und die darauffolgende Ratifizierung voranzutreiben

Mehr Investitionen durch Global Gateway in Infrastruktur und Energie

Die EU strebt eine engere Zusammenarbeit mit Partnern in der Region an, um die Voraussetzungen für nachhaltige Investitionen zu schaffen. Das Infrastrukturprogramm Global Gateway bietet dabei den Rahmen für ein wertebasiertes Investitionsangebot, das hohen internationalen Standards entspricht. Großes Potenzial ist auch bei erneuerbaren Energien vorhanden. Nach Angaben der Kommission weisen Lateinamerika und Karibik im Jahr 2021 mit 61 Prozent den weltweit höchsten Anteil an erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung auf. Die EU sieht hier noch viel Potenzial: Kooperationen könnten die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter verringern, indem erneuerbare Energiequellen stärker genutzt und Energieeffizienz verbessert werden.

Die gute Nachricht ist: Lateinamerika und die Karibik sollen 2023 vor allem im Fokus des Global Gateway-Programms stehen. Die EU hatte das Infrastrukturprogramm vor etwa drei Jahren auf den Weg gebracht als Antwort auf Chinas „Neue Seidenstraße“.

Im Strategiepapier kündigt die Europäische Kommission nun an, verbrauchende und rohstoffreiche Länder in einen Club zusammenzubringen, um Lieferketten zu stärken und die Beschaffung zu diversifizieren. Dies könnte die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken und strategische Abhängigkeiten – zum Beispiel in Bezug auf kritische Rohstoffe – verringern. Der Erfolg der Global-Gateway-Initiative in Lateinamerika und Karibik hängt entscheidend davon ab, ob die EU das globale Programm mit ausreichend finanziellen Mitteln und klaren Vergabeverfahren ausstatten und das Geld mobilisieren kann.

Die deutsche Wirtschaft ist sehr daran interessiert, Kooperationen bei erneuerbaren Energien und insbesondere grünem Wasserstoff mit Lateinamerika und Karibik auf- und auszubauen. Die Region verfügt mit viel Wind, Wasser und Sonne über hervorragende Bedingungen für die Produktion erneuerbarer Energien. Gleichzeitig steigt der Bedarf der Industrie an grünem Wasserstoff rasant und ein erheblicher Teil dieses Bedarfs muss durch Importe gedeckt werden. Die im Strategiepapier angekündigten Absichtserklärungen im Energiebereich und die Erkundung von Partnerschaften zum gegenseitigen Nutzen sind hierbei sicherlich hilfreich.

Digitale Allianz ausbauen

Die EU empfiehlt u. a. einen kontinuierlichen Dialog mit den Ländern Lateinamerikas, um die digitale Kompatibilität zu fördern.  Dies umfasst beispielsweise die sichere Einführung von 5G, die Regulierung digitaler Märkte und Dienste die Verwaltung von Daten sowie die Gewährleistung von Cybersicherheit.

Auch im Bereich der Digitalisierung eröffnen sich zahlrieche Möglichkeiten, unsere Partnerschaften mit Lateinamerika und Karibik auszubauen, gemeinsam neue Vorzeigeprojekte aufzusetzen und den digitalpolitischen Dialog zu intensivieren. Es gibt viele Themen, wie Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, um die Transformation anzupacken und sich den Herausforderungen zu stellen. Die Region ist schon Vorreiter in vielen Bereichen der Digitalisierung und spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung und Entwicklung internationalen Standards.

Die EU-Lateinamerika-Strategie ist von großer Bedeutung. Sie zeigt einmal mehr, wie viel Potenzial in der bilateralen Zusammenarbeit steckt. Gleichzeitig verdeutlicht sie auch das große Interesse Europas, das Engagement mit der Region zu intensivieren, den Informationsaustausch zu erweitern und Unterstützungsangebote anzubieten, die den Ländern bei der Anpassung und Einhaltung eines neuen EU-Rechtsrahmens behilflich sein können. Nun müssen den Worten auch Taten folgen!