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Europas Wettbewerbsfähigkeit auf dem Prüfstand: Der Competitiveness Compass als Wegweiser

Europa steht im globalen Wettbewerb unter wachsendem Druck. Der Kompass für Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Kommission setzt an zentralen Stellschrauben an, um Innovationen zu fördern, die grüne Transformation mit Industriepolitik zu verbinden und strategische Abhängigkeiten zu reduzieren. Wir unterstützen diesen Kurs und betonen zugleich: Entscheidend ist eine ambitionierte Umsetzung, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Unternehmen nachhaltig stärkt.

Europa steht vor einer wegweisenden Herausforderung: Die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verschlechtert. In zentralen Bereichen wie Innovation, Digitalisierung und Produktivitätswachstum bleibt die EU hinter großen Volkswirtschaften wie den USA und China zurück. Rund 70 Prozent des Unterschieds im Pro-Kopf-BIP zwischen der EU und den USA – gemessen in Kaufkraftparitäten – lassen sich auf die geringere Produktivität in der EU zurückzuführen (Draghi-Bericht, 2024).

Erschwerend kommen die hohen Energiekosten für europäische Unternehmen hinzu: Obwohl die Preise seit ihrem Höchststand im Jahr 2022 erheblich gesunken sind, zahlen Unternehmen in der EU weiterhin Strompreise, die zwei- bis dreimal so hoch sind wie in den USA, und Gaspreise, die vier- bis fünfmal so hoch darüber liegen (Ibid.). Gleichzeitig bremsen komplexe Vorschriften und eine unzureichende digitale Infrastruktur die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zusätzlich aus. In einem zunehmend herausfordernden geopolitischen Umfeld gewinnt strategische Unabhängigkeit und wirtschaftliche Resilienz für die EU mehr denn je an Bedeutung.

Ein Kurswechsel für Europas Wettbewerbsfähigkeit

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission am 29. Januar 2025 mit dem Kompass für Wettbewerbsfähigkeit (engl: Competitiveness Compass) einen strategischen Plan vorgelegt, der die europäische Wirtschaft in eine dynamischere und wettbewerbsfähigere Zukunft führen soll. Der Competitiveness Compass fügt sich in eine Reihe zukunftsweisender Berichte ein, darunter der Draghi-Report zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und der Letta-Report zur Vertiefung des Binnenmarktes. Diese Analysen machen deutlich: Ohne eine nachhaltige Strategie für Innovation, Produktivität und industrielle Stärkung droht der EU ein schleichender globaler Bedeutungsverlust.

Die Europäische Kommission hat seit der Veröffentlichung des Berichts bereits erste Maßnahmen eingeleitet – etwa mit dem Clean Industrial Deal und den sogenannten Omnibus-Vorschläge, die darauf zielen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Investitionsbedingungen in der EU zu vereinfachen.  

Bewertung des BDI

Wir unterstützen die Zielsetzung des Competitiveness Compass. Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Kommission ihre politischen Prioritäten konsequent auf die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit ausrichtet. Die Unternehmen in Europa erwarten dringend konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Innovation, zum Abbau bürokratischer Hürden und zur Senkung der Energiepreise in Europa. Nur aus einer Position wirtschaftlicher Stärke heraus kann Europa in der aktuellen geopolitischen Situation auf Augenhöhe mit den USA und China agieren.

Die Veröffentlichung des Kompasses ist jedoch lediglich ein erster Schritt. Entscheidend wird die Umsetzung sein – und diese muss sich an den realen Bedingungen industrieller Wertschöpfungsketten messen lassen.

Aus Sicht des BDI sind folgende Maßnahmen zentral:

  • Innovation fördern, Technologie vorantreiben: Die finanzielle Unterstützung von Forschung und Entwicklung muss ausgeweitet und der Zugang zu Wagniskapital verbessert werden, um technologischen Fortschritt gezielt in die wirtschaftliche Anwendung zu überführen. Die Überwindung der Middle Tech Trap ist das zentrale Anliegen, um Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum langfristig zu sichern.
  • Wettbewerbsfähige Energiepreise sichern: Eine stabile, bezahlbare Energieversorgung ist unerlässlich für die deutsche Industrie. Dazu gehören der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien, die Senkung der Energiesteuern und ein klarer regulatorischer Rahmen zur Verringerung der Abhängigkeit von externen Energiequellen.
  • Rechtsvorschriften vereinfachen, Überregulierung bekämpfen: Die EU-Rechtsvorschriften müssen vereinfacht und harmonisiert werden – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Ziel ist es, die Anpassungsfähigkeit der Industrie zu erleichtern und nachhaltige Praktiken zu fördern.
  • Ausreichende Finanzierung sicherstellen: Die grüne Transformation und die Industrieagenda und die grüne Transformation benötigen verlässliche, langfristige Finanzierungsinstrumente. Dazu gehören eine deutliche Aufstockung der Horizon-Finanzierung, die verstärkte Nutzung von Risikoteilungsinstrumenten der Europäischen Investitionsbank (EIB) sowie einfachere Verfahren bei IPCEI-Projekten (Important Projects of Common European Interest).
  • Binnenmarkt vertiefen: Die vollständige Integration des europäischen Binnenmarktes sollte oberste politische Priorität haben. Es bedarf eines umfassenden Aktionsplans, um die vollständige Integration des Binnenmarktes voranzutreiben und damit die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der EU zu stärken.
  • Resilienz stärken, Abhängigkeiten verringern: Eine koordinierte europäische Strategie zur Sicherung der Lieferketten und zur Reduzierung externer Abhängigkeiten ist essenziell. Dazu gehört auch der Ausbau der Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern, insbesondere über neue Freihandelsabkommen, um die strategische Resilienz der EU zu erhöhen.

Fazit:

Die Stärkung Europas als starken, innovativen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraum ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Der Competitiveness Compass setzt die richtigen Akzente in den oben genannten Bereichen – nun kommt es auf eine mutige, zügige und praxisorientierte Umsetzung an.