NewSpace. Aufbruch in die industrielle Zukunft
- 100 Kilometer. Das ist nicht weit. Ungefähr eine Stunde Autofahrt.
- Oder die Entfernung zur Grenze des Weltraums. Sie sehen: Es ist nicht weit zu dieser mystischen Grenze, die so viel mit der Zukunft unseres Landes und unserer Industrie zu tun hat. Darüber wollen wir heute sprechen.
- Sehr geehrte Frau Bundesministerin Bär, lieber Michael Schöllhorn, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, sehr geehrter Herr Aschbacher, sehr geehrter Herr Pelzer, sehr geehrte Vertreter der Bundeswehr, sehr geehrte Frau Rogge, sehr geehrte Partner aus Afrika, Europa, den USA und ganz besonders aus der Ukraine, deren Mut, Ausdauer und Innovationskraft wir zutiefst bewundern, meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich willkommen zum 3. BDI Weltraumkongress!
- Mit über 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern senden wir heute ein deutliches Signal: Raumfahrt ist mehr als Hochtechnologie und Forschung. Raumfahrt ist industrielle Realität und erfolgreich umgesetzte Strategie. Sie ist damit ein Baustein für Zukunft für unser Land.
- Ein Kongress wie dieser ist nur mit engagierten Partnern möglich, ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung. Mein besonderer Dank gilt unserem Knowledge Partner Roland Berger.
- Zum Start des Weltraumkongresses freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Firma Planet Labs heute bei einer Pressekonferenz mit Bundesministerin Bär und Bundesministerin Reiche hier im Gebäude den Aufbau einer Satelliten-Fertigung in Berlin angekündigt hat. Ein starkes Signal für den Industriestandort Deutschland!
NewSpace – mehr als nur eine neue Ära
- Was meinen wir, wenn wir über NewSpace sprechen? Zum einen die emotionale Seite und mit ihr beginne ich:
NewSpace steht für Mut, für Begeisterung und Aufbruch. Es ist ein positives Thema, dass begeistern kann. Allein schon deshalb müssen wir uns dafür interessieren.
- NewSpace ist aber viel mehr. Es hat das Potenzial, ein neues ökonomisches Betriebssystem für unsere gesamte Industrie darzustellen – schneller, vernetzter, digitaler, unternehmerischer. Denn NewSpace ist exemplarisch für einen fundamentalen Trend in der globalen Wirtschaftsentwicklung.
- In der Vergangenheit wurden Technologien, die vom Charakter her Infrastruktur sind, vor allem von staatlicher Seite betrieben und umgesetzt. Dies hat sich fundamental gewandelt. Durch die Verfügbarkeit von Enabling Hightech mit hohem Reifegrad und zu günstigen Kosten werden solche Projekte heute von privater Seite mit höchster Geschwindigkeit vorangetrieben.
- Das Muster ist einfach: das wissenschaftliche Fundament ist gelegt, die Basistechnologie ist verfügbar und bezahlbar. Das Ziel und der wirtschaftliche Case ist vorhanden und beschrieben. Auf dieser Basis können Start-ups und oft auch etablierte Unternehmen viel schneller und flexibler umsetzen, als dies in einem staatlich geförderten und geführten Programm möglich wäre. Freilich, der Ankerkunde muss vorhanden sein. Hier kann und sollte der Staat eine wichtige Rolle spielen.
- Sie möchten Beispiele hören? Man denke an Themen, wie die Entwicklung des Quantencomputing, der kommerziellen Kernfusion, Small Modular Reactors oder selbstverständlich LLM in der KI - alles Beispiele, bei denen die Industrie, Start-ups wie etablierte Unternehmen, staatliche Programme längst überholt haben.
- Wie gesagt: dies ist ein Megatrend, die Beispiele stehen exemplarisch für die großen industriellen Technologiethemen der nächsten Generation. Zentral geplante und durchgeführte rein staatlich finanzierte Programme, wie ITER im Fall der Kernfusion oder ESA im Fall von NewSpace haben keine Chance auf Erfolg. Sie sind zu langsam, zu teuer und zu bürokratisch.
- Wir brauchen deshalb auch ein neues Verständnis für die Rolle unserer Raumfahrtagenturen wie ESA und DLR. Sie leisten einen wichtigen Beitrag. Sie sollten in Zukunft aber noch stärker als Kunden auftreten, um das Space-Ökosystem nachhaltig zu stärken und zur industriellen Skalierung beizutragen. Privatwirtschaftliche Ansätze sind in der Regel agiler und effizienter als komplexe institutionelle Programme.
- Dazu kommt: Laut Prognosen wird der globale Umsatz der Weltraumindustrie bis 2040 jährlich um knapp 10% auf fast 2.000 Milliarden Euro anwachsen.
- NewSpace ist daher nicht nur vor dem Hintergrund der Aspekte Verteidigung oder Souveränität enorm wichtig oder als Trainingslager für die Umstellung unseres Ansatzes, wie wir solche Themen angehen in unserem Land und in Europa, es ist einfach auch eine gigantische wirtschaftliche Chance.
- NewSpace ist deshalb auch ein Schlüssel für die Renaissance des Industrielands Deutschland.
Industrie unter Druck – NewSpace als Teil der Lösung
- Deutschland und die deutsche Industrie stehen vor großen Herausforderungen: Die regelbasierte Welthandelsordnung, einst Grundlage deutscher Exporterfolge, existiert nicht mehr.
- Wir befinden uns mitten in einem Systemumbruch von epochaler Natur. Die liberalen, westlichen Demokratien werden wie selten zuvor durch autoritäre, illiberale Kräfte herausgefordert. Das weltweite Wirtschaftssystem, das auf ordnungspolitischen Grundsätzen und marktwirtschaftlichen Gedanken beruhte, verändert sich hin zum Merkantilismus. Die US-Zölle und die Auseinandersetzung zwischen den USA und Chinas zeigt dies auf fundamentale Weise.
- Dazu kommt, eine multilaterale und im Grundsatz oft faire Außenpolitik wird durch reine Machtpolitik ersetzt. Auch hier fallen uns sofort viele Beispiele ein.
- All dies trifft uns als Exportnation ins Mark. Wir müssen sehr schnell unsere hausgemachten Probleme lösen - ich denke an die hohen Energiekosten, Arbeitskosten und groteske Überregulierung. Und wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Wie wollen wir in Deutschland die industrielle Zukunft gestalten?
- Eine mögliche Antwort lautet NewSpace.
- Ich wiederhole mich: es ist ein großer Markt, dies allein ist schon wichtig. Aber genauso wichtig ist es zu begreifen, dass das Erlernen des fundamentalen Ansatzes, der uns in NewSpace erfolgreich sein lässt, in allen anderen ähnlichen Feldern Voraussetzung für den Erfolg ist.
- Somit kann NewSpace helfen, uns als Industrieland neu zu erfinden. Wir brauchen genau diesen Spirit einer neuen Gründerzeit, den ein Erfolg in NewSpace uns geben kann.
- Deshalb bin ich überzeugt: NewSpace ist ein Must Win für unser Land.
- Zu den genannten Punkten - NewSpace als großer Markt und NewSpace als Enabler für den neuen industriellen Ansatz für Erfolg - kommen noch weitere Aspekte.
- NewSpace ist Voraussetzung für resiliente Infrastrukturen und damit Schlüssel für unsere Souveränität und Sicherheit in Europa.
- NewSpace ist auch im Kern eine Dual-Use-Technologie: Militärische und zivile Nutzung verschwimmen zunehmend, was NewSpace zu einer Chance für skalierbare Geschäftsmodelle macht. Der technologische Grundstein wird in der militärischen Entwicklung gelegt, der volkswirtschaftliche Nutzen dann bei der zivilen Skalierung erreicht.
- Die Frage der Skalierung bringt mich auf einen entscheidenden Punkt. Die deutsche Industrie zeichnet sich aus durch eine einmalige Fähigkeit,
- innovative und technologieschwere Produkte
- mit höchster Qualität
- zu wettbewerbsfähigen Kosten
- in Serie zu produzieren.
- Die Kombination dieser Fähigkeiten, die dieser Satz beschreibt, ist auf dem Niveau nach meiner Überzeugung an keinem anderen Ort der Welt vorhanden wie in Deutschland. Dies prädestiniert uns für NewSpace. Beispielsweise für kleine, modulare Satellitenkonstellationen, die sich weltweit durchsetzen, ist genau diese Fähigkeit notwendig.
Eine neue industrielle Erzählung für unser Land
- Ich behaupte, Space ist ein Must Win. Ich habe mich dabei auf den Markt und die Logik von NewSpace und ähnlichen Hightech Feldern bezogen.
- NewSpace ist aber auch ein Must Win, wenn man die Schlüsselposition betrachtet, die Weltraumfähigkeiten in der Zukunft einnehmen werden. Ich gebe ein paar Beispiele:
- Kein Automobil ohne Konnektivität aus dem All.
- Keine Industrie 4.0 ohne globale Vernetzung via Satelliten.
- Keine Energie ohne satellitengestützte Netzinfrastruktur.
- Keine Nachhaltigkeit ohne Erdbeobachtungsdaten.
- Und keine Sicherheit ohne Weltraumfähigkeiten.
Fünf Handlungsempfehlungen an die Politik
- Ich denke ich konnte meinen Punkt klarmachen: Was wir hier tun, ist wichtig. Welche Handlungsempfehlungen an die Politik ergeben sich nun daraus?
- Erstens: Wir brauchen eine neue Sichtweise auf die Raumfahrt. Sie ist keine Nische. Raumfahrt ist strategisch wichtig für Innovation, Sicherheit und Souveränität.
- Zweitens:Wir brauchen neue Ansätze. Kleinteilige Projektlogik in der Forschungsförderung mit vielen Einzelmissionen ist zu bürokratisch und zu langsam.
- Wir benötigen den Ansatz der Förderung eines skalierbaren Ökosystems.
- In diesem Rahmen können private Unternehmen Ziele schneller und effizienter erreichen als institutionelle Programme mit politischen Detailvorgaben.
- Bereits mit kleinen Wettbewerben und staatlichen Institutionen als Ankerkunden lassen sich große Hebelwirkungen erzielen.
- Der deutsche Microlauncher-Wettbewerb steht beispielhaft für diesen Ansatz. Davon brauchen wir mehr.
- Drittens:Größere Investitionen – privat und staatlich. Im November findet die Ministerratskonferenz der Europäischen Weltraumorganisation, ESA, statt. Mit zwei Besonderheiten: Deutschland hat den Vorsitz und ist Gastgeber.
- In Bremen stehen wichtige strategische Weichenstellungen an, die Europas Rolle im neuen globalen Space Race bestimmen werden.
- Meine Bitte: Deutschland muss als größtes europäisches Industrieland seine Führungsrolle innerhalb der ESA deutlich ausbauen.
- Deutschland sollte seine Beteiligung mit Blick auf die technologischen Impulse für die Industrie erhöhen – von 3,5 auf 6 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren.
- Zusätzlich muss die ESA effizienter werden, also schneller, unbürokratischer und offener für eine gleichberechtigte Beteiligung junger, innovativer Unternehmen.
- Außerdem müssen die Mittel nachhaltig investiert werden. Gleiches gilt für das nationale Raumfahrtprogramm. Der Haushaltsentwurf bildet dies leider noch nicht ab, liebe Frau Bär.
- Viertens:Dual Use ist eine doppelte Chance. Jeder Euro, den wir in weltraumgestützte Verteidigungsfähigkeiten investieren, sichert nicht nur unsere Existenz als Land, sie fördert auch Innovationen.
- Die Bundeswehr kann so von der Dynamik des deutschen NewSpace-Ökosystems profitieren. Dies setzt allerdings voraus, dass Beschaffungsprozesse substanziell reformiert werden. Die Beschaffer der Truppe müssen sich an die Dynamik des Ökosystems anpassen und nicht umgekehrt. Vor diesem Hintergrund freue ich mich auf die Keynote von Verteidigungsminister Boris Pistorius heute Nachmittag.
- Fünftens: Ich komme wieder zur Emotion: wir müssen NewSpace auch nutzen, um zu begeistern. Das Apollo-Programm hat Generationen begeistert. Die Innovationen aus dem Programm waren die Basis, die maßgeblich zur technologischen Führerschaft der USA bei Software und IT beigetragen hat - so das Narrativ.
- Emotionale Geschichten sind wichtig. Wir Menschen leben von Luft, Wasser, Nahrung und Geschichten. Auch wir in Deutschland brauchen wieder große Erzählungen, die inspirieren, begeistern, motivieren. Ein kleines Beispiel dafür ist Rabea Rogge. Sie hat uns allen gezeigt, wie ein großer Sprung aussehen kann. Im April dieses Jahres nahm sie als erste deutsche Frau an einem fünftägigen Flug ins All teil.
- Das zeigt: Raumfahrt ist nicht länger ein ferner Traum. Sie ist Realität – auch Made in Germany. Warum also nicht eine Europäische Mondmission? Warum kein europäisches Raumschiff für unsere Astronautinnen und Astronauten? Warum nicht eine Initiative für die wirtschaftliche Nutzung des Low Earth Orbits? Warum kein Space Mining Projekt mit deutscher Technologie?
- Wer große Ziele formuliert, wer Geschichten anstößt, schafft die Voraussetzung für Zukunft.
Schluss – Der Weltraum ist offen
- Meine Damen und Herren, Space ist nicht nur ein gigantischer Markt, der Schlüssel für unsere Sicherheit und Souveränität oder ein wichtiger Innovationsmotor. NewSpace ist ein Schlüssel für die Renaissance der deutschen Industrie.
- Denn NewSpace ist auch die Möglichkeit für unser Industrieland und für unseren Staat zu lernen, wie man mit neuen Ansätzen in einer neuen Welt zurechtkommt.
- Ich bin überzeugt, NewSpace wird helfen, uns als Industrieland neu zu erfinden. Denn wir brauchen genau diesen Spirit einer neuen Gründerzeit, den ein Erfolg in NewSpace uns geben wird, wir brauchen wieder diese guten Geschichten, wie es das Wirtschaftswunder und die D-Mark, wie es das Auto und Made in Germany waren.
- Auch deshalb bin ich überzeugt: NewSpace ist ein Must Win für unser Land!
Vielen Dank!